Auf einen Kaffee … mit Seelsorger Hans Bartosch
Foto: Andreas Lander/Pfeiffersche Stiftungen Interview

Auf einen Kaffee … mit Seelsorger Hans Bartosch

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Seelsorge, was ist das eigentlich? Eine Definition fällt schwer. Für Hans Bartosch steht zumindest aber so viel fest: Sie ist Staunen und Erschrecken. Lachen und Wüten. Geschichten und Geschichte. Und: Erzählen lassen. Ohne Kollar, dafür mit Wollschal, dreht der Pfarrer seit nunmehr zwölf Jahren seine Runden bei »Pfeiffers«.

Herr Bartosch, wie kommen die Patienten auf Sie zu?

Hans Bartosch: Meist gar nicht! Ich bin es, der auf Sie zugeht. Ich gehe in die Patientenzimmer, fast immer unangemeldet, stelle mich vor, Pfarrer Hans Bartosch, und begrüße die Patienten. Sie glauben übrigens nicht, dass ich dann mit den Menschen bete. In 0,5 Prozent der Fälle kommt auch das vor. Aber meist ist das, was folgt, eine Überraschung. Seelsorge hat auch ein bisschen mit Improvisationstheater zu tun: Gib mir ein Stichwort und ich mach was draus.

Wie reagieren Patienten auf Ihr Erscheinen?

Hans Bartosch: Sie staunen. Mancher erschrickt. Dann muss ich schnell erklären, dass ich nicht zum Sterbesakrament komme. Manche erwarten meinen Besuch auch. Oder es sagt jemand freundlich: „Ich glaube an gar nichts.“ Das wiederum glaube ich ihm nicht und schon sind wir im Kontakt. Der ein oder andere wundert sich, dass statt des Fahrers der Pfarrer vor ihm steht (lacht). Das hat schon zu herrlichen Episoden geführt. Ich ernte aber auch böse Reaktionen, bekomme die volle Wut über die Kirche ab. Und manche Menschen wollen einfach nur ‚rumätzen‘. Mittlerweile kann ich solche Gespräche aber auch ganz schnell beenden.

Was unterscheidet die Seelsorge eigentlich von der Tätigkeit eines Therapeuten?

Hans Bartosch: Dass ich Pfarrer bin. Es ist immer Religion im Raum, eine Anbindung an Gott, das Geheimnis der Welt – wie auch immer Sie es nennen wollen. Erstaunlicherweise funktioniert das hier, in der deutschen Großstadt mit den wenigsten Kirchenmitgliedern, genauso gut wie im Rheinland. Auch wer sich als dezidiert nicht-kirchlich bezeichnet, hat eine Weltanschauung, eine Lebensgeschichte, die Geheimnisse und Brüche birgt. Bei der Seelsorge geht es auch um das unmittelbare Ergehen eines Menschen, jetzt, in diesem Moment.

Dabei ist der Sachsen-Anhalter nicht gerade bekannt für sein offenes Wesen…

Hans Bartosch: Als gebürtiger Duisburger leide ich da immer wieder drunter (lacht). Aber ich habe großen Respekt vor diesem speziellen Charakter, der sich nicht über den Tisch ziehen lässt, vorsichtig ist und auch nicht so schnell entflammbar. Der aber dann mit einer großen Ehrlichkeit sein Herz zeigt und unheimlich verlässlich ist. Und kein Geschwätz mag, was ich sehr schätze.

Hans Bartosch im Gespräch mit der Interviewerin auf einer Bank.
Der gebürtige Duisburger Hans Bartosch ist seit 35 Jahren als Seelsorger unter anderem in Krankenhäusern, Hospizen, Suchthilfe und Obdachlosenarbeit tätig. Seit 2012 lebt und arbeitet der 61-Jährige in Magdeburg. Foto: Andreas Lander/Pfeiffersche Stiftungen

Was hat Sie nach Magdeburg geführt?

Hans Bartosch: Die Neugier! Auch fürs uns Westdeutsche ging 1989 eine Mauer auf. Das habe ich als große Chance erlebt, Ostdeutschland und Osteuropa kennenzulernen. An den Pfeifferschen Stiftungen war dann eine Stelle als ausgeschrieben und wir waren uns schnell handelseinig. Also bin ich mit meiner Frau hergezogen. Wir wohnen in Buckau, mitten auf dem Kiez, ich fahre jeden Tag mit dem Rad nach Cracau. Der schönste Arbeitsweg, den man sich vorstellen kann: Rotehornpark, Sternbrücke, Domblick – herrlich!

Gibt es für Sie noch immer Neues zu entdecken?

Hans Bartosch: Jeden Tag! Die Vielfalt der Lebensläufe und Emotionen, die sich bei »Pfeiffers« findet, in den Krankenhäusern, im Hospiz, bei den Menschen mit Behinderungen und unter den Mitarbeitenden, ist unerschöpflich. Es ist ein Geschenk, so einen Querschnitt von Menschen kennenlernen zu dürfen.

Wie gehen Sie mit der Flut an Eindrücken, an Geschichten, an Emotionen um?

Hans Bartosch: Aufschreiben. In Magdeburg habe ich angefangen zu schreiben. Das hat mir auch geholfen zu erzählen, was Seelsorge eigentlich ist. Nämlich auch eine sehr politische Arbeit. Viele Geschichten, die ich höre, haben eine politische Dimension – Geschichten von Flucht, Krieg und Migration jedweder Art, die Erlebnisse um die Friedliche Revolution und in den Nachwendejahren, die Kränkungen und Brüche, die viele Ostdeutsche erlebt haben. Was das bewirkt hat, ist erschütternd. Was die Leute daraus gemacht haben, ist hochinteressant und verdient große Achtung. Und genauso versuche ich die Patienten zu sehen: Menschen, die jetzt krank und geschwächt sind, aber eine reiche Lebensgeschichte haben, eine brillante Lebensleistung.

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