Mehr als 230 Patientinnen und Patienten mit Erstdiagnose Lungenkrebs werden jährlich im Lungenkrebszentrum in der Lungenklinik Lostau behandelt. Neben chirurgischen Eingriffen und Chemotherapie kommen im Rahmen der Behandlung auch Palliativmediziner, Psychologen und Verhaltenstherapeuten zum Einsatz. Dabei geht es um das Begleiten der Betroffenen und ihrer Familien, die Linderung der Beschwerden – und um den Umgang mit der Angst.
Die Aufgabe der Palliativmedizin wird beschrieben als ganzheitliche Betreuung von Patienten, um deren Lebensqualität zu verbessern. Sie kommt vor allem ins Spiel, wenn die Betroffenen auf ihr Lebensende zugehen, aber nicht nur dann. Palliativmediziner haben auch Anteil an der ebenso ganzheitlich gedachten Behandlung von Lungenkrebspatienten. Im Juli 2023 wurde an der Lungenklinik Lostau eine eigene Klinik für Palliativmedizin eröffnet.
»In Lostau bieten sich noch bessere Rahmenbedingungen für die Behandlung und die besonderen Bedürfnisse von Palliativpatientinnen und -patienten, wie zum Beispiel mehr Platz oder die größere Nähe zur Natur«, beschreibt Dr. med. Stefan Zacharias, Chefarzt der Klinik, die neue Station. Zu seinem Behandlungsteam gehören neben Palliativmedizinern auch eine Psychoonkologin und ein Psychoonkologe, insgesamt elf Pflegefachkräfte, davon die Hälfte mit Palliative-Care-Ausbildung, die Physiotherapie, Seelsorger, Musik-, Kunst- und Gestaltungstherapeuten und der Sozialdienst. Die Patienten und auch die Angehörigen auffangen, nicht fallen lassen – das ist der gemeinsame Anspruch.
Diagnose Lungenkrebs ist eine Konfrontation mit der Endlichkeit
Lungenkrebs und seine Behandlung belasten nicht nur den Körper. Auch die Seele. Es entstehen negative Gefühle und Gedanken. Angst. Wut. Ärger. Enttäuschung. Existenzielle Sorgen schlagen aufs Gemüt.
»Die Diagnose Lungenkrebs ist für viele Betroffene eine Konfrontation mit der Endlichkeit«, berichtet die Psychoonkologin Josephine Uiffinger. Sie befasst sich mit den seelischen Aspekten der Krebserkrankung und betreut die Patientinnen und Patienten im Lungenkrebszentrum Lostau ergänzend zur medizinischen Behandlung. Zugleich ist sie Ansprechpartnerin für Angehörige. Denn auch deren Welt gerät plötzlich ins Wanken. »Manche tragen sich mit einer Art Überlebensschuld. Empfinden Scham, weil sie ein Erlösungsgefühl erleben, wenn der erkrankte Partner gegangen ist, oder geben sich selbst völlig auf, um für den Kranken da zu sein«, erzählt sie.
»Die Patientinnen und Patienten haben ein Recht auf Leben und ein Recht auf Lebensqualität«, betont Uiffinger. »Das will ich ihnen wieder nahebringen.« Nach Möglichkeit ist die Psychologin dabei, wenn die Diagnose vom Arzt überbracht wird. Um die Betroffenen dabei zu unterstützen, die Diagnose anzunehmen und ›das Loch auszuhalten‹.
»Dann geht es erst einmal darum: Was ist noch da, was macht mich aus, was funktioniert noch? Das soll anstelle des Gedankens an den möglichen Tod wieder in den Mittelpunkt rücken.« Sie geht aber auch auf die Ängste der Betroffenen ein. »Es geht allerdings nicht darum, die Ängste komplett zu nehmen, sondern sie zu verstehen, zu durchdenken und anzuerkennen«, sagt Uiffinger. Sie versucht, ihren Patienten auch die positiven Seiten der Angst zu vermitteln: »Angst ist ein Zeichen von Lebensenergie!« Nicht selten nehmen Krebspatienten die Diagnose zum Anlass, ihr Leben grundlegend zu verändern: »Ich erinnere mich an eine Patientin, die ihren Job an den Nagel gehängt hat, um eine Ausbildung zu beginnen, die sie schon lange machen wollte.« Nicht aufgeben, sondern bewusster leben (wollen), vorhandene Ressourcen nutzen – darum geht es der Psychotherapeutin. »Wenn ›alles klappt‹, konzentrieren sich die Patientinnen und Patienten nicht mehr darauf, dass das Leben kürzer geworden ist, sondern dass sie am Leben sind.«
Bewegung und Beratung
Bei der Bewältigung des neuen Alltags will auch die Lungensportgruppe unter Leitung der Physiotherapeutin Nicole Baumann helfen. Hier treffen sich Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen – neben Krebspatienten auch Menschen mit COPD oder Asthma – um mit gezielten Übungen ihre Atemtechnik und Atemmuskelkraft zu verbessern. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch der Austausch der Betroffenen untereinander. Das fördert das Gemeinschaftsgefühl und das Durchhaltevermögen.
»Als Fachklinik können wir die Betroffenen von der Diagnosestellung an regelmäßig begleiten und sehr patientenorientiert arbeiten«, fasst Sozialpädagogin Liane Scheffler zusammen. In der Regel wird die Mitarbeiterin des Sozialdienstes hinzugezogen, wenn es beispielsweise um die Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen, die Organisation der häuslichen Versorgung nach der Entlassung oder die Beratung in sozialrechtlichen Fragen wie der Anerkennung einer Schwerbehinderung geht. Doch das ist meist nur der Auftakt. »Man kommt schnell zu anderen Themen, zum Beispiel wie Patienten mit Eltern, Kindern, Partnern über die Krankheit und ihre Ängste sprechen können, welche sozialen oder finanziellen Sorgen sie plagen.« Deshalb versucht sie, sowohl Patienten als auch Angehörige für die Herausforderungen zu sensibilisieren, die mit der Erkrankung einhergehen, und auch aufzuzeigen, was in der häuslichen Pflege möglich ist und welche Alternativen es gibt.
»Dann geht es erst einmal darum: Was ist noch da, was macht mich aus, was funktioniert noch?« Psychoonkologin Josephine Uiffinger
»Mir ist es wichtig, dass beide Seiten möglichst umfassend darüber informiert sind, was auf sie zukommt«, erklärt Scheffler. Gleichzeitig erlebt sie aber auch sehr selbstreflektierte Patienten, die ihre Angelegenheiten selbst regeln wollen, um Kinder und Partner zu entlasten. Auch dabei hilft die Sozialpädagogin.
Rauchfrei – die beste Prävention
Und sie packt das Übel dort an, wo es entsteht: beim Rauchen – nach wie vor die Hauptursache für Lungenkrebs. Seit zwölf Jahren gibt Scheffler an der Lungenklinik Tabakentwöhnungskurse. Motivation ist dabei der Schlüssel, weiß sie aus Erfahrung. Deshalb spielen neben Informationen über Inhaltsstoffe, Alternativen zum Tabak und dergleichen vor allem der Austausch mit Gleichgesinnten, die Arbeit mit Beispielen und Erfolgsgeschichten sowie Tipps, wie man das ›Kribbeln‹ in den Griff bekommt, eine große Rolle in den Kursen. »Eine Blutuntersuchung vor dem Rauchstopp zeigt den Teilnehmern zudem, dass Rauchen ihrem Körper wirklich schadet, auch wenn sie noch keine Beschwerden haben«, berichtet Scheffler. »Umso größer ist das Erfolgserlebnis und die Motivation, wenn wenige Tage nach dem Rauchstopp der Bluttest deutlich besser ausfällt.«
War das Kursangebot zunächst für die eigenen Patientinnen und Patienten gedacht, kamen bald auch externe Anfragen hinzu. 136 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in 26 Kursen haben das Rauchfrei-Programm bisher durchlaufen. Die überwiegende Mehrheit hat den Rauchstopp dauerhaft gemeistert. Ein Schritt in die richtige Richtung.
Lesen Sie im ersten Teil des Beitrags, wie komplex die Behandlung von Lungenkarzinomen ist.
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Mehr Informationen zum Lungenkrebszentrum:
Website der Lungenklinik Lostau
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